Samstag, 5. Februar 2011

Rezension: "Gute Nacht, Liebster" von Katrin Hummel

In meinem Beruf habe ich oft Kontakt mit Demenzkranken. Der Umgang ist nicht selten problematisch und vor allen Dingen zeitaufwändig. Man ist extrem auf die Erfahrungen und Hilfe der Angehörigen angewiesen, man stößt an seine persönlichen Grenzen... 
Demenz. Was ist das eigentlich wirklich? Und was ist der Unterschied zu "Alzheimer"?
Was bedeutet die Krankheit für den Betroffenen, und was bedeutet sie für die Angehörigen?

Mit der Lektüre des Buches "Gute Nacht, Liebster"von Katrin Hummel erhoffte ich mir die Beantwortung aller meiner Fragen.
Der Roman basiert auf den tatsächlichen Begebenheiten und Erfahrungen der Protagonistin (welche im Buch den Namen Hilda Dohmen bekommen hat). Die Journalistin Katrin Hummel hat aus vielen Gesprächsaufzeichnungen mit ihr vorliegendes Buch geschrieben.

So begleiten wir Hilda und Hans durch ihr Leben. 1955 lernen sich Beide kennen, Hilda ist erst 14. Aus der Jugendfreundschaft wird Jahre später Liebe, sie heiraten und gründen eine Familie. Zwei Töchter werden geboren. Hilda ist Lehrerin, Hans ein erfolgreicher Unternehmer. Finanziell geht es ihnen gut. Das Leben scheint perfekt.
Bis sich Hans, erst 53 Jahre alt,  verändert. Ganz langsam, fast schleichend. Er wird vergesslich, verliert immer öfter die Orientierung. Er wird gleichgültiger. Er verliert das Interesse an seinen Hobbies und später auch an seiner Familie. 
Bis die Diagnose "Demenz" gestellt wird, haben Hilda und Hans eine Odyssee an Arztbesuchen hinter sich. Plötzlich hat Hilda einen Ehemann, dem bereits die Pflegestufe 2 zugeordnet wird.
Aber sie gibt den Mann, den sie liebt, nicht auf. Auch, wenn dies immer schwerer wird...

"Gute Nacht, Liebster" ist ein bewegender  Tatsachenroman. 
Aus Hildas Sicht nimmt der Leser an Hans' Schicksal teil und vor allen Dingen auch an ihrem eigenen. Wir sehen die Veränderungen, die mit Hans passieren, mit ihren Augen, erleben hautnah mit, wie Hans sich selbst verliert. Und für seine Familie verloren geht.
Dabei stellt sich immer wieder die Frage, was Hans selber davon mitbekommt. Merkt er seinen Verfall? Wenn ja, bis zu welchem Punkt? Und ab wann nicht mehr?
Das sind quälende Fragen auch für Hilda, die uns immer sehr ehrlich an ihren Gefühlen und Gedanken teilhaben lässt, uns eine große Nähe erlaubt. Wir erleben so ihr Entsetzen, ihren Schmerz, ihre Hilflosigkeit. 
Einige Dinge werden wiederholt geschildert, was für mich aber ein Indiz dafür ist, wie präsent die entsprechende Problematik für Hilda gewesen sein muß, wie sehr ihre Gedanken davon beherrscht waren.
Ganz vordergründig spüren wir ihre unermessliche Liebe zu ihrem Mann, den Partner, den sie so vermisst!  Nur mit der Kraft dieser Liebe bringt sie die enorme Energie auf, ihn zu pflegen und dabei auch seine Würde zu bewahren.
Und sie bringt die Kraft auf, sich mit dem unweigerlich Nahenden auseinanderzusetzten...
"...doch sein Schicksal ist unausweichlich, und meines ist an seines gebunden. Er wird untergehen, und ich werde zuschauen, wie er ertrinkt, und an Land zurückbleiben."
Hilda ist eine nach außen hin starke Frau, die uns Lesern mutig auch ihre Schwächen zeigt. 
Aber sie steht immer wieder auf, schafft es, sich aus der Isolation zu befreien und ihre Zukunft zu planen, an ein Leben, eines Tages, ohne Hans zu denken.

"Gute Nacht, Liebster" hat mich unglaublich berührt. Ich musste das Buch des öfteren zur Seite legen....diese nahen Schilderungen erst einmal verarbeiten. 
Als ich die letzte Seite beendete, hatte ich einen dicken Kloß im Hals. Das ist mir schon lange nicht mehr passiert...


                                                            
Aenna







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